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„In der Designszene fehlt mir der Diskurs!“

News von franziska · Fotos Stefan Hähnel · 5. März 2016

Für große Agenturen machte sie lange die Kommunikation für große Marken – bis ihr dort irgendwann schlicht die Inhalte fehlten. Also gründete Silke Neumann 2006 Bureau N. Mit ihrer Agentur für Kommunikationsberatung hat sie sich auf einen Kundenstamm spezialisiert, der an der Schnittstelle von Design, Kunst und Architektur anzusiedeln ist, darunter die Kunstmesse abc, die Designmarke New Tendency oder das Edelsteakrestaurant Grill Royal. Ihr Ansatz: Projekte müssen Spaß machen. Wir haben mal genauer nachgefragt:

Frau Neumann, mit Bureau N konzentrieren Sie sich stark auf die Bereiche Kunst, Design und Architektur: Wie wählen Sie die Projekte aus? Entscheidet am Ende Ihr Bauch?

Ich mache das Ganze seit knapp zehn Jahren, da ist also viel Erfahrung im Spiel. In erster Linie muss mir ein Projekt gefallen, es muss mich interessieren und die Person, die an uns herantritt, auch. Die Kunden kommen ja auf mich zu, damit sich möglichst viele Menschen für sie und ihre Projekte interessieren. Wenn ich das Gefühl habe, das hat Potential, das könnte Spaß machen, die Leute sind gut und es gibt eine Geschichte dahinter, mache ich es. Klingt es eher weniger spannend, erlauben wir uns auch, Dinge abzusagen.

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Woher rührt Ihr ursprüngliches Interesse für Design?

Ich glaube ja, dass man das gar nicht differenziert voneinander betrachten kann: Kunst, Architektur, Design. Alle Künstler und Architekten, die ich kenne, haben auch ein Gespür für Design, schließlich geht es um Formen, um Farben, um Materialien und um eine grundsätzliche Auseinandersetzung damit. Je mehr man sieht, desto interessierter ist man an Details. Bei mir war es so, dass mich mein Vater sehr früh an all die kreativen Disziplinen herangeführt hat, er hat mich mit in Museen genommen, klassische Musik war ihm wichtig, Theater. Ich habe eine zeitlang in München gearbeitet, bin dann nach Berlin gekommen und habe dieses Berlin-Gefühl kennengelernt, bin in unterschiedliche Szenen eingetaucht und habe mich zunehmend für die Themen interessiert. Je mehr ich kennen lernte, desto hungriger wurde ich. Das ist für mich auch der größte Luxus in meinem Job: Ich lerne diese spannenden Menschen kennen, gehe auf sie zu, verbringe Zeit mit ihnen – das ist sehr qualitätsstiftend.

„In der Designszene sind alles Einzelkämpfer, das finde ich schwierig. Es geht immer darum, das Produkt zu verkaufen“

– Silke Neumann

Was ist zum Beispiel so qualitätsstiftend an einer Zusammenarbeit mit den Machern von New Tendency?

Vorab: Ich mache keine klassische Produkt PR, mit New Tendency arbeiten wir zusammen, weil wir ihre Ansätze spannend finden und auch die Kooperationen, die sie machen. Zum Beispiel arbeiten sie mit Markus Miessen, der ja als Autor, Aktivist und Architekt eigentlich aus einer ganz anderen Richtung kommt, oder mit dem Designer Clemens Tissi. Wie sie gemeinsam über den Diskurs hinter Produkten nachdenken, gefällt uns. Beispielsweise geht es da um die Frage, was ein Tisch im Büro, an dem man sich versammelt, alles können muss? Es ist spannend, wie sie auf die veränderten Lebensweisen heute eingehen. Wir besitzen nicht mehr drei Geschirrsets, wie flexibel gehe ich also mit verschiedenen Objekten um? Der New Tendency Beistelltisch Meta zum Beispiel: Der funktioniert im Wohnzimmer genauso wie im Office wie neben meinem Bett. Ich kann ihn gleichzeitig in zehn verschiedenen Farben bestellen. Und natürlich sind Themen relevant wie: Wie mache ich meine Produktfotos? Wie gehe ich mit Social Media um? Wie präsentiere ich mich auf einer Messe? Ich war dieses Jahr nicht auf der IMM in Köln, aber im vergangenen Jahr fand ich den Stand von New Tendency sehr schlau. Die hatten wenig Platz, also haben sie mit einer Spiegelfläche gearbeitet und so die Objekte einfach geteilt. Durch den Spiegel sahen diese dennoch ganz aus und gleichzeitig war es der schönste Stand der Messe.

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Gibt es zu wenige Akteure in der Designszene mit solch klugen Ansätzen?

Die Kunstszene versteht sich so, dass man Dinge gemeinsam angeht – man macht Projekträume, man macht Aktionen. In der Designszene sind alles Einzelkämpfer, das finde ich schwierig. Es geht immer darum, das Produkt zu verkaufen, aber mir fehlt da der Diskurs. Als der Designmai in Berlin in 2003 an den Start ging und Werner Aisslinger auf dem Dach von Universal Music seinen Loft Cube präsentierte, war der Diskurs der Ansatz. Doch heute dreht sich alles nur um Living und um die Frage, ob wir jetzt den richtigen Eames Chair da stehen haben oder nicht, dabei geht es doch um viel mehr. Die Fragestellung zum Beispiel, wie groß unsere Räumlichkeiten heute sein sollten? Wie wollen wir eigentlich wohnen? Das Problem ist ja nicht, dass wir einen wirklichen Wohnraummangel haben, sondern wir wohnen zu großzügig. In meiner Wohnung leben wir zu zweit, früher hätten wohl sechs bis acht Leute hier gelebt. Wir breiten uns immer mehr aus. Wie weit kann das noch gehen? Oder auch diesen Wahnsinnstrend mit den gigantischen 30.000 Euro teuren Küchen, die sich jeder in seine Wohnung stellt, in denen man nie kochen wird, aber Hauptsache man hat für jeden möglichen Handgriff das richtige Gerät.

„Heute dreht sich alles nur um Living und um die Frage, ob wir jetzt den richtigen Eames Chair da stehen haben oder nicht, dabei geht es doch um viel mehr!“

– Silke Neumann

Auch Wilfried Lembert von Minimum Einrichten sagt: An den Küchen sieht man, wohin die Generationen steuern.

Ja, und es gibt zu wenige darüber berichtende, spannende Plattformen. Es gibt auch kaum ein Designmuseum, Institution oder Initiativen hierzulande, die sich mit solchen Diskursen beschäftigt. Was sagt ein Wohntrend über eine Gesellschaft aus? Das ist doch höchstinteressant!

Und was sagen die persönlichen Lieblingsprodukte über einen Menschen aus? Auch darüber haben wir uns mit Silke Neumann unterhalten. Hier kommen ihre Top 5 aus dem deutschsprachigen Raum.