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YSSO on the road: Hoch hinauf mit dem Produktdesigner Harry Thaler

News von franziska · 15. Dezember 2015

Welch ein Glück, dass wir ihn in Südtirol erwischen konnten: Der 39-jährige Produktdesigner Harry Thaler war jahrelang in London beheimatet, seit kurzem pendelt er zwischen der britischen Hauptstadt und seiner Geburtsstadt Meran. Nachdem ihm seine Heimat zeitweise zu eng geworden war, genießt er mittlerweile die Kontraste, die das Leben an beiden Orten mit sich bringt. Als wir Südtirol erreichen, erreicht uns eine Mail, dass er die Tage in der Gegend ist. Klar wollen wir den Design-Shooting-Star treffen, der sich schon mit der Abschlussarbeit seines Studiums am Royal College of Art international einen Namen machte. Mit dem Pressed Chair, einem Stuhl aus einem einzigen Stück Blech, das durch Verformung und eine umlaufende Vertiefung seine Stabilität erhält, legte Harry Thaler 2011 einen Senkrechtstart hin.

„Ich war ursprünglich gelernter Goldschmied. Doch irgendwann wurde mir Schmuck zu klein, ich wollte größere, andere Sachen machen.“

– Harry Thaler

Nach einem kurzen Cappuccino fahren wir mit ihm zu einem leer stehenden Silo, direkt neben dem Lager von Pur Südtirol. Es gibt Pläne für ein zukünftiges Projekt an hiesiger Stelle, über das noch nicht zu viel verraten werden darf. Es ist ein besonderer Ort für Harry Thaler: Der Online-Shop Pur Südtirol führt kulinarische Spezialitäten der Gegend, es gibt Filialen in Bruneck, Bozen und Meran – und der Shop war Thalers erster großer Auftrag. Gemeinsam mit lokalen Handwerkern entwickelte Harry Thaler die Designlinie Pur Manufactur, die unter anderem Gläser, Geschirrtücher und Kochbestecke führt.

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Im Grunde ist Ihnen gelungen, wovon jeder Produktdesigner träumt: Mit Ihrer Abschlussarbeit kam auf Anhieb der Durchbruch. Ihren Master in Produktdesign am Royal College of Art in London machten Sie mit dem Pressed Chair – dieser ist heute fast überall erhältlich.

Klar, das war natürlich super. Ich war auf der Einrichtungsmesse IMM in Köln der Gewinner des Talent-Awards d3 – anschließend kamen mehrere Produzenten auf mich zu, darunter auch Nils Holger Moormann. Ich hatte das Glück, dass ich mir aussuchen konnte, mit wem ich zusammenarbeiten wollte. Das ist natürlich die absolute Ausnahme in der Branche. Nach einem Jahr war der Stuhl auf dem Markt und dann ging’s mit der Presse los, ein wichtiger Faktor für den Einstig in die Designbranche.

„Wäre ich kein Goldschmied, wäre ich nie auf den Pressed Chair gekommen: Der Stuhl ist ja aus einem einzigen Stück Metall. Zehn Jahre habe ich Schmuck gemacht, ich weiß, wo die Grenzen des Materials liegen.“

– Harry Thaler

Und Ihre Karriere wurde zum Senkrechtstart. Dabei wollten Sie ursprünglich überhaupt nicht nach London…

Ursprünglich war ich gelernter Goldschmied. Ich hatte meine Ausbildung in Meran gemacht, ich entwarf experimentellen Schmuck, habe viel mit Kunststoff gearbeitet. Nach Stationen in Wien und Sri Lanka war ich eine Zeit lang in Pforzheim, Deutschlands Goldstadt, wo ich mehr über Schmuckdesign lernte. Ja, und dort schaute ich zufällig in der Fachhochschule für Produktdesign vorbei – und da sprang der Funke über. Mir war Schmuck zu klein geworden, ich wollte größere, andere Sachen machen. Also studierte ich Produktdesign an der Freien Universität Bozen. Das Studium ist hier auf Englisch, Deutsch und Italienisch. Ich war im Grunde fertig, das Diplom war schon geschrieben – aber ich fiel immer wieder durch die Englischprüfung. Nach acht Versuchen gab ich auf und ging nach London, machte ein Praktikum bei Martino Gamper und machte dann meinen Master am Royal College of Art.

Wieso war das Englische ausgerechnet in England kein Problem mehr?

Gute Frage. Dort hieß es bloß: Du studierst ja keine Sprachen sondern kommunizierst mit Design. Das Englischsprechen kam dann von allein dazu, da es natürlich zum Alltag gehört.

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Woran arbeiten Sie aktuell?

Meist arbeite ich an acht bis zehn Projekten gleichzeitig. Nicht alle fordern einen in gleichem Maße, aber sie schwirren alle ständig in meinem Kopf herum. Mittlerweile mache ich auch einige architektonische Arbeiten, die ziehen sich natürlich mehr in die Länge als beispielsweise ein Auftrag im Produktdesign. Gerade baue ich ein Haus eines britischen Unternehmers in Meran aus – und eine Apotheke, auch hier in der Gegend. Die Recherche über die historische Apotheke und ihre Verwandlung in der Moderne bis heute finde ich sehr spannend.

Welche Ihrer Arbeiten repräsentiert Sie am besten?

Das ist wohl der Pressed Chair. Daran kann man auch meinen Werdegang erkennen. Wäre ich kein Goldschmied, wäre ich nie darauf gekommen. Der Stuhl ist ja aus einem einzigen Stück Metall. Zehn Jahre habe ich Schmuck gemacht, ich weiß, wo die Grenzen des Materials liegen. Gutes Design ist für mich, wenn es nützlich ist, simpel und wenn es etwas Innovatives hat. Der Stuhl bringt das auf den Punkt.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie aktuell?

Das ist nichts Aktuelles, aber ich finde es immer wieder enorm schwierig, unter Druck Dinge zu entwerfen. Einen kreativen Prozess kann man nicht immer zeitlich steuern, oft geht es super schnell, oft dauert es einfach seine Zeit. Wenn man seine Deadlines hat, kann das schon sehr kompliziert werden.

Was möchten Sie unbedingt einmal entwerfen?

Eine Brücke. Die Statik ist spannend. Das kann eine Fußgängerbrücke sein oder auch etwas Größeres. In die Architektur bin ich ja im Grunde nur so reingeschlittert, jemand hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, ein Haus zu designen, und ich fand’s interessant – so ging das los.

Pressed Chair

Und wie geht das? Grundkenntnisse eines Architekten besitzen Sie doch nicht, wie können Sie da Häuser entwerfen?

Ich arbeite dann mit Architekten zusammen. Bei einem Einfamilienhaus zum Beispiel reichte meine Arbeit von der Türklinke, also einem kleinen Detail, bis zur großen Fassade. Wir hatten die Fassade komplett mit Europaletten bekleidet, das war eine absolute Millimeterarbeit, ein sehr interessantes Projekt.

Wo möchten Sie einmal hin mit Ihrer Marke?

Im Grunde will ich einfach so weitermachen. Ich möchte nicht größer werden. Ein Studio mit 30 Angestellten wäre nichts für mich. Ich will mich darauf konzentrieren können, neue Produkte zu schaffen.

Gibt es eine Südtiroler Designsprache?

Das kann man so nicht sagen. Aber es hat sich hier in den letzten zehn Jahren sehr viel getan, durch die Universität und das Museion in Bozen. Dort finden immer wieder interessante Ausstellungen statt. Die Architektur wird spannender und es gibt mittlerweile auch viele Designer, die aus ganz unterschiedlichen Gegenden zum Studium herkommen. Ich habe das Gefühl, die Menschen hier beschäftigen sich viel mehr mit Design als früher, in den Läden und in der Gastronomie.